Distanzreiter Nordwest

Rittbericht: Messen

Auch dieses Jahr fand in Messen wieder ein Distanzritt statt, und zwar bereits zum dritten Mal – und wieder bei drückender Hitze. Der Ritt war dieses Jahr vom früheren Juni-Datum auf den ersten Sonntag im August verschoben worden. Angeboten wurden fünf Prüfungen: EVGs über 30, 40 und 60 km, ein CEN* über 90 und ein CEN** über 120 km. Letzterer galt – dank des anwesenden ausländischen Richters – als FEI Drei-Stern Qualifikation.

Für die drei EVG Prüfungen waren 28, 23 und 15 Paare gemeldet; zwölf Paare wollten über 90 und sechs Paare über 120 km reiten. Für den Einführungskurs (EVG 20 km) hatten sich drei Paare gemeldet.

Wie üblich bei einem grössen Endurance Anlass mit längeren Distanzen beginnen die Auto-Anhänger Gespanne der Teilnehmer bereits am Tag zuvor anzurollen. Johnny und ich sind die ersten, die am Samstag Nachmittag ankommen. Der Parkplatz ist noch nicht angeschrieben; ich nehme mal an, es sei dasselbe Feld wie letztes Jahr, und stelle Johnny’s Corral auf. Ich staue ob der Fliegen – ein ganzer Schwarm sitzt auf dem armen Johnny.

Bald darauf kommen weitere Gespanne an – aus dem Tessin und Graubünden, weitere Paddocks werden für die equiden Athleten erstellt, endlosse Reihen von Pet Flaschen abgefüllt und in den nun abgekoppelten Zugfahrzeugen verstaut – denn morgen würden dies die Groom-Fahrzeuge sein, mit welchen die fleissigen Helfer das ach so wichtige Nass den hart arbeitenden Pferden hinterher – oder besser: voraus – transporterien würden, um diese an den designierten Groom Points zu treffen und zu versorgen – hauptsächlich zu tränken und kühlen.

Ich richte mir meinen Groom Platz ein, strategisch in der Nähe des Wasser – man muss gut planen, wenn man alles selber macht.

Am Samstag findet auch bereits die Voruntersuchung statt für die beiden Rennen. Für das 120-km Rennen ist die Visite obligatorisch bereits am Samstag – schliesslich wird der Start am Sonntag um 6 Uhr erfolgen. Nachdem alles vorbereitet und bereit gelegt ist, lege ich mich schlafen auf dem gedeckten Flatbed meines Trucks. Mit Nachtruhe ist allerdings nicht viel: ich habe einen Schwarm Moskitos mit drin, und das penetrante Gesurre weckt mich immer wieder – und jedes Mal habe ich ein paar Stiche mehr. Nachdem mich bereits alle Moskitos von Wyoming gestochen zu haben scheinen, nun das! Im Schlafsack verstecken ist auch keine Alternative – zu heiss! Ich bin froh, als es Morgen ist, oder wenigstens 4 Uhr 30, und mein Wecker abgeht.

Geritten wird wieder auf drei sich teilweise deckenden Loops von 20 und 30 Kilometern. Um sechs Uhr geht es dann los, zwei Mal ohne Pause – höchstens freiwillig, über die 20-km Schlaufe. Noch ist es angenehm kühl, und Johnny schwitzt nicht sehr. Wir gehen die lange Strecke langsam an, 120 km ist nicht zu unterschätzen. Wir kommen bestens innerhalb gut dreier Minuten nach Ankuft durch das erste Vet Gate, und dann frisst Johnny Gras, seine mitgebrachten Leckerein verschmähend. Allerdings hat er bereits auf dieser ersten Runde gut getrunken – das Pferd hat was gelernt! Nun folgt die rote 30-km Schlaufe, und wir kommen immer noch gut voran, aber schwül-heisse, drückende Verhältnisse beginnen sich zu etablieren, die Wolken haben sich verzogen. Manchmal spürt man noch einen frischen Wind, und der hilft. Aber das Kühlen der Pferde ist nun zur grossen Herausforderung geworden. Zudem ist der Boden natürlich überall steinhart. Es geht ohnehin viel über Schotter und Kies – und Teer.

Bald schon sind wir wieder zurück, Johnny kommt wieder gut durch, immer noch alles normal und gut. Nun müssen alle Pferde im CEN** für eine Doping Kontrolle antreten. Wir warten, bis wir dran kommen, und Johnny steht in der dafür bestimmten Boxe und frisst wacker Stroh. Immerhin sind wir im Schatten. Nach der ersten Ampulle schüttelt er den Kopf und verbiegt die Nadel ins seinem Hals im rechten Winkel … Ich frag mich, ob das gut ist, wenn einem jemand während einer solchen Anstrengung sechs so grosse Ampullen Blut abzapft …

Bald schon sind wir wieder unterwegs. In dieser Pause hat Johnny emsig sein Futter verdrückt, plus etwas Heu und Gras, und eine Banana. Jetzt kommt die grüne Schlaufe, die relativ flach ist, sie lässt die Hügel östlich und westlich aus und bleibt fast gänzlich im Tal unten. Wir reiten wacker vorwärts, fast zu sehr, denn nun pumpt Johnny gehörig. Seine Werte sind gut und normal, aber er schaut ein wenig müde aus, und eben, die Atmung braucht lange, um sich zu erholen. Ich dusche ihn eine Weile gehörig ab, dann frisst er den Rest des Kraftfutters mit den Äpfeln. Nach dieser dritten Pause – nach 100 km – gibt es einen obligatorischen Recheck für alle von uns, bevor die Pferde wieder auf die Strecke entlassen wurden – auf die letzte Schlaufe, noch einmal 20 km. Es wurde auch immer wieder ein CRI (Cardiac Recovery Index) durchgeführt, um zusätzliche Hinweise auf die Verfassung der Pferde zu gewinnen. Johnny, meint Nina Waldern, sieht jetzt schon wieder viel besser aus, aber ich solle vielleicht etwas langsamer reiten. Damit steht für mich fest: Ich nutze den Rest der mir zur Verfügung stehenden Zeit aus und reite ruhig. Wir traben ganz locker und langsam, kein Galopp mehr. Johnny geht willig, wenn auch nicht mehr so frisch wie am Morgen – verständlicherweise. Wenn es steiler hoch oder runter geht, reiten wir Schritt. Den letzten steilen Berg runter steig ich wieder ab und führ ihn bis zum Brunnen im letzten Dorf und schwamme ihn ausgiebig ab. Er trinkt sogar auch noch mal. Dann steige ich wieder auf für die letzten zirka 3.5 Kilometer, aber wir reiten die im Schritt, die Zeit reicht dazu; und Johnny kommt im Schritt mit fast 8 km/h vorwärts. Er geht von sich aus extrem kraftvoll vorwärts, sein Saddlebred Schritt; also erschöpft ist er nicht, er scheint recht erholt.

Kurz nach 18 Uhr sind wir dann zurück – und neun Minuten später ist auch die Tierärztin mit ihm zufrieden, und fast schon verblüfft: alles okay, alles gut. Wir haben es geschafft! Wir haben unsere ***Qualifikation, die es ab nächstem Jahr für FEI Prüfungen brauchen wird. Johnny stürtzt sich auf das Gras, während wir auf die Preisverteilung warten.

Während es in der EVG Prüfungen zu den für Endurance üblichen paar Eliminationen hauptsächlich wegen Lahmheit kam, schieden im CEN 90km acht der 13 Gestarteten aus, sechs davon wegen erhöhten Pulses. Gewonnen wird diese Prüfung von Nora Kaiser mit Ainhoa Tordidjo, mit „langsamen“ 12.89 km/h. Aber heute ist niemand „schnell“ geritten; wer den Ritt in der Wertung beenden wollte, musste unbedingt die Tempi den extremen Bedingungen angepassen.

Die Sieger in unserem Rennen sind Sabine Merkle und Al Guwa Shariba (12.69 km/h); Johnny und ich werden Dritte (12.17 km/h).

Bei der Preisverteilung lobt Richter Franz Frei: “Wir waren sehr zufrieden mit dem Verhalten der Reiter. Wir sind sogar mit dem Auto auf die Strecke und haben uns umgesehen. Wir haben keinen gesehen, der etwas machte, das er nicht sollte.“

FEI-Richter Christian Leon aus Frankreich kann sich dem mit lobenden Worten anschliessen: “Es war super, dass es beim CEN 120 km keine Eliminationen gab, nur einen Rückzug, und das in einer Kategorie, wo die Durchkommensrate knapp 50% oder weniger ist. Bravo! Zudem hat keiner mit den Richtern oder den Veterinären über deren Entscheidungen argumentiert.“ Scheinbar ein wachsendes Problem in der FEI Szene … Nur eines: “Fast alle diese Pferde sind zu dick für Endurance Pferde!“

Aber doch nicht Johnny! Nein, bestätigt mir Suzanne Dollinger, die neben mir sitzt, Johnny nicht.
Auch Chef-Veterinärin Dr. med. vet. Nina Walden zeigt sich sehr zufrieden, “Die Reiter sind sehr vernünftig geritten. Wenn ein Pferd mitten im Ritt Anzeichen von Erschöpfung zeigte, haben sie ihre Reittaktik angepasst und eine Runde später dann Pferde mit verbesserten Werte präsentieren können.“ Sie fügt hinzu, wie ungemein hart diese Wetterverhältnisse für die Pferde gewesen seien.

Jetzt noch alles zum Truck zurück schleppen und verstauen; Corral abbauen, Pferd einladen und los. Zum Glück diesmal kein Stau, und wir kommen um 21 Uhr 40 im Stall an. Eine gute Stunde später falle ich ins Bett – zum Glück ohne Moskitos.

Bericht: Esty H. Geissmann