Distanzreiter Nordwest

Rittbericht: Claro (Herbst)

Nachdem der erste Endurance Anlass der Saison 2006 schon in Claro stattgefunden hatte, und zwar am 2. April, war der Herbst-Anlass in Claro am 15. Oktober auch der Abschluss der Schweizer Endurance Saison. Mit diesem zwölften und letzten Ritt war somit das Dutzend voll.

Die Ausschreibung brauchte man sich schon fast nicht mehr anzusehen, um zu wissen, was hier angeboten würde: CES über 90 km, EVG über 40 km (10-12 km/h), und DRF. Zudem handelte es sich hier aber auch um einen Jubiläums-Anlass: der 25-ste und letzte von Marco Muheim organisierte Distanzritt!

Der Start für den CES war auf 7 Uhr 30 festgelegt – und bis dann konnte man eben gerade mal sehen, wo man hinritt. Ich hatte DRF gemeldet und wollte so bald wie möglich nach dem CES losreiten, da ich 80 oder sogar 95 km reiten wollte – so als krönender Abschluss der Saison quasi. Irgendwie hatte ich nicht daran gedacht (Schande!), dass ich auf dem Parkplatz nichts sehen würde, und hatte meine Stirnlampe nicht dabei, um Johnny seine Swiss Horse Boots anzuziehen. Klar, man hat ja vieljährige Erfahrung und macht so was blind, aber trotzdem! Das Nokia meiner Freundin/Groom Sue hat Taschenlampenfunktion; mit dem zwischen den Zähnen sah ich dann doch einigermassen, wo ich hinklopfen konnte mit dem Gummihammer.

Ich musste dann doch bis 8 Uhr warten, da noch kein Starter da war. Dann ging es los, auf unsere Lieblingsstrecke in der Schweiz – na ja, jedenfalls meine, ich bin aber sicher, dass Johnny diese flachen Sand- und Naturwege und die Grastreifen ebenso zu schätzen weiss wie ich. Dazu die grandiosen Kulissen der steilen, dicht bewaldeten Berghänge, fast senkrecht, die sich zur Linken und Rechten einrahmend gen Himmel strecken. Wir nehmen es erst mal langsam zum Einlaufen, vor allem da es ja anfangs auch ein paar Wurzeln und Steinplatten auf dem Weg hat.

Und weiter geht es, durch die bewaldeten Uferauen. Hier sieht man gut, dass die tiefer gelegenen Gebiete vor Kurzem noch überflutet waren. Der Sand ist teils ziemlich tief, die Pflanzen sind verschlammt. Die Strecke ist frisch nachmarkiert worden. Die bunten Plastikbänder (rot, gelb und grün für die drei Routen, 40km, 25km für CES, und 15km) sind nicht zu übersehen. Neben den alten weissen Endurance Ticino Schildchen an den Bäumen, die zum Teil schon so alt sind, dass die Bäume sie sich fast einverleibt haben, sind neue angebracht worden, und auch die gesprayten Hufeisen am Boden sind neu – hier kann keiner den Weg verfehlen, solange er denn die Augen offen hat!

Wir kommen flott voran, Johnny läuft wie ein Uhrwerk. Noch ist es bewölkt, und fast ein wenig nebelig, aber bei weitem nicht kalt – im Gegenteil. Wenn man erst einmal am Westufer des Ticino ist, geht es ja 20 km bis Biasca sozusagen nur noch geradeaus. Menschen sieht man noch fast keine, nur Hundebesitzer mit ihren Vierbeinern auf dem ersten Morgenspaziergang. In einer nahen Ortschaft klingeln melodisch die Kirchenglocken. Dann geht es bei Biasca über die Brücke ans Ostufer des Flusses zurück, und wir sind quasi auf dem Heimweg – das erste Mal. Hier kommt eine kurze Strecke Neuland, die Route führt um eine grössere Bauzone herum, wo es früher geradeaus ging. Sie bauen halt doch nicht nur auf der Autobahn.

Im Ziel angekommen, beginnt die altbekannte Routine: Absatteln, Kruppe decken, Hals kühlen, Puls nehmen – bereits unter 50, als direkt zum Veterinär. Dann 30 Minuten Pause und wir sind wieder unterwegs, noch einmal auf der 40-km Schlaufe. Diesmal galoppiere ich etwa ¾ der Strecke; Johnny hat in der Zwischenzeit schon recht gut gelernt, mit oekonomischen Bewegungen sanft über den Boden zu rollen im ganz ruhigen Galopp. Man muss es noch unterstützen, er ist noch nicht so weit, dass man nur noch draufsitzen und nichts tun kann, aber ich bin sehr zufrieden, wie gut das schon geht. Sein Puls bliebt denn auch die ganze Zeit im Galopp unter 120 bpm. Überhaupt habe ich während des ganzen Rittes darauf geachtet, dass sein Puls nicht über 120 bpm steigt, also im Bereich mässiger Anstrengung, vor allem im aeroben Bereich bleibt.

Auf dieser Runde trinkt Johnny auch aus all den kleinen Zuläufen des Ticino, welche wir durchqueren müssen. Sichtlich gerne steht er eine kurze Zeit im kühlenden Wasser und verschnauft dabei gleich noch ein wenig.

Zum ersten Mal sehe ich nun auf der Strecke auch andere Reiter. An einem Groom Point stehen ein paar Pferde und lassen sich Karotten und Äpfel füttern, dann überholen wir zwei Reiterinnen, die ihre Pferde führen, später noch einmal ein paar, die gerade Schritt reiten.

In der Zwischenzeit ist das Wetter so, wie man es hier eigentlich erwartet: Sonne, blauer Himmel und Wärme. Zwischendurch bläst ein bisschen ein Wind. Johnny schwitzt irgendwie weniger als auf der ersten Runde.

Dann sind wir bereits wieder zurück. Gegen halb drei haben wir unsere 80 km geritten. Es wäre nun zwar gerade eben noch möglich, die 15-km Schlaufe noch anzuhängen, aber ich möchte sie nicht unter Zeitdruck reiten – man muss ja um 16 Uhr 30 zurück sein – und Johnny hat eigentlich auch genug geleistet, also hören wir hier auf. Mit einer Reitzeit von 6:04:24 haben wir die 80 km mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 13.17 km/h geritten. Weniger als 5 Minuten nach Zieleinlauf kann ich Johnny präsentieren. Sein Puls ist auf 50 und er ist ausgeschnauft. Super!

Jetzt kann er noch etwas fressen, auch Gras, und sich dabei bewegen, ich wasche und putzte ihn, wir verräumen alles – und freuen uns, dass es nicht allzuspät werden wird. Da haben wir uns aber massiv verrechnet: der Verkehr ist eine pure Katastrophe. Wir stecken immer wieder im Stau, und haben auf dem Nachhauseweg zwei Stunden länger als auf dem Hinweg. Armer, armer Johnny, denke ich immer wieder. Schade, dass dieser Anlass nicht am Samstag oder eine Woche später stattfindet. Der letzte Tag der Herbstferien, an dem alle aus dem Süden heimkehren, ist denkbar ungünstig zum fahren!

Endlich zu Hause angekommen, öffne ich in unserem Offenstall das Weidegatter, damit Johnny nicht nur den Paddock, sondern gleich die ganze Weide hat, um Gras fressen und sich bewegen zu können.

Somit ist die Endurance Saison 2006 in der Schweiz abgeschlossen. Wir sind gespannt, wie das nächstes Jahr aussehen wird, wenn etliche neue Reglemente und damit verbunden auch neue Prüfungsarten gelten werden.

Bericht: Esty H. Saenger