Distanzreiter Nordwest

Rittbericht: Blitzingen

1. Distanzritt im Goms, im Wallis überhaupt

Ich habe im Wallis zwar schon mehr als einmal TREC geritten, darunter die Schweizermeisterschaft in Sion vor ein paar Jahren, aber das sollte der erste Endurance Ritt im Wallis werden. Das Goms, genauer genommen, Blitzingen, organisierte am 23. September seinen ersten, wie sie das nannten, Endurance – Pferdedistanzrit, der erste Distanzritt überhaupt im Wallis.

Ausgeschrieben sind drei Prüfungen: EVG 40km, CES 90km und DRF. Leider haben sich nur wenige angemeldet, im Programm stehen nur 23 Nennungen, mehr als die Hälfte davon im EVG 40 km (14 Paare). – Vielleicht haben sich ja noch ein paar hinterher angemeldet! Es ist im Vorfeld schon ersichtlich, dass sich die Organisatoren die allergrösste Mühe geben: da ist schon früh eine sehr informative Website, die Streckenkarte kann dann später dort auch noch online eingesehen werden.

Man hat auch die Möglichkeit, seine Pferde (vor allem für CES und längere DRF Ritte), bereits am Freitagabend dem Veterinär vorzuführen – eine Möglichkeit, die ich auf jeden Fall nutzen werde, wollen wir doch auf jeden Fall bereits am Freitag hin fahren. Für den Freitag wird in diversen Zelten auch grosser Festbetrieb versprochen.

Ein Blick auf die Karte erinnert an Claro: ein tiefeingeschnittenes Tal zwischen steilen, hohen Berghängen, ein Flüsschen durch die Mitte; die Strecke führt fast schnurgerade und fast flach die Rhone rauf und dann wieder runter, von Blitzingen (auf 1279 MüM) bis hinter Obergesteln (1355 MüM).

Am Freitag geht es dann los; erst mal bis Kandersteg, wo wir durch den Lötschberg verladen wollen. Das habe ich noch nie gemacht: mit dem Pferdeanhänger auf den Zug. Das geht alles äusserst flink; von Frühling bis Herbst fahren die Züge am Freitag und Sonntag alle 15 Minuten durch den Berg – also keine Wartezeit. Zehn Minuten später sind wir bereits im Wallis! Um ein paar Haarnadel-Kurven geht es auf breiter Strasse auf den Talboden hinunter, dann sind wir wenig später auch schon in Brig. Ich habe bei Organisator Charles Previdoli für zwei Nächte einen Stall mit Auslauf reserviert; Johnny hat die Royal Suite zugeordnet bekommen: da könnte man sechs Pferde drin halten, so wunderbar gross ist der Auslauf, und die nach aussen völlig offene Boxe ist auch gewaltig! Wir beziehen unsere Zimmer im Hotel, bevor wir am Nachmittag noch einmal verladen und bis Blitzingen zur Vet-Visite rollen, die für 7 Uhr abends angesetzt ist. Das Gelände ist neben dem Sportplatz auf einer Weide zwischen dem malerischen, urtümlichen Walliser-Dörfchen Blitzingen und der Rhone angelegt. Ein Traum für alle – Reiter, Grooms, Zuschauer: Start und Ziel liegen nebeneinander, Vet-Zone und Groom-Platz gleich daneben, alles von den diversen Restaurations-Zelten direkt einsehbar. Der Parkplatz liegt ein paar Meter den Weg hinauf, eine idyllische Weide zwischen Wald und Rhone.

Es gibt dann leider eine Verspätung, da die von Bern her kommenden Veterinäre für den Moment unterwegs hinter einem Unfall blockiert sind – „Wir sind ganz nahe, aber wir kommen nicht dran vorbei.“ Kurzerhand wird ein lokaler Tierarzt beigezogen, der bei den wartenden Pferden schon mal den Puls misst und die Pässe kontrolliert, bis die sehnlichst erwarteten Tierärzte doch noch eintreffen.

Mit dem Zeitplan hat es auch gewisse Änderungen gegeben: DRF ist laut Ausschreibung ab 8 Uhr für 30 bis 70 Kilometer vorgesehen gewesen. Ich habe während der Woche angefragt, ob ich nicht 90 km reiten und gleich hinter den CES-Reitern kurz nach 7 Uhr 30 starten könne, da mein Pferd noch die 4. Quali braucht. Ich bekam eine grosszügige Zusage. Nun ist also DRF auch für 90 km offen, und sogar bereits ab 7 Uhr; so kann man sich ein Mindesttempo von 10.58 km/h leisten, um die letztmögliche Ankunftszeit (16 Uhr 30) einzuhalten.

Nach dem fast sommerlich heissen Freitag verspricht auch der Samstag ein schöner Tag zu werden. Ich stehe kurz vor sieben in der Früh mit Johnny am Start bereit, 90 km unter die Hufe zu nehmen. Und dann geht es los: immer dem Weg entlang, der im Winter als Gomser Langlauf Loipe unterhalten wird, der „Rottenweg“. Kaum erst ist es hell geworden, aber die gelben und roten Bänder an den Bäumen kann man gut sehen, wie auch die Markierungen am Boden. Wir schlängeln uns ein wenig den Hang hoch, dann geht es im Schritt durch einen und später noch einen Campingplatz, manchmal Naturweg mit Steinchen, manchmal geteert, dann wieder als Pfad den Fluss entlang, einmal sogar parallel zum Runway eines alten Militarflugplatzes, durch ein paar Postkarten-Dörfchen.

Wir nehmen es gemütlich auf dieser ersten Runde, erst mal einlaufen lassen. Bei KM 10 wendet die 20-km Schlaufe; 45 Minuten sind vergangen, wir ziehen weiter, noch 5 km, dann wendet auch unsere Strecke. Kurz vorher steigt es ein Stück an, dann wieder leicht runter – Wendepunkt; wir haben die ersten 15 km hinter uns, jetzt geht’s wieder denselben Weg zurück. Mit der Zeit kommen uns die fünf CES-Reiter entgegen, die um halb acht gestartet sind. Dann sind wir zurück, die ersten 30 km sind geschafft. Ich kann absatteln und direkt zur Vet-Visite gehen, denn Johnny’s Puls ist im Ziel bereits unter 60: 44 – gut!

Eine halbe Stunde später geht es wieder los. Jetzt ist doch schon Mitte Morgen und die Strecke wird immer belebter: Radfahrer, Biker, Wanderer, Anwohner in den Dörfern, die es sich am Wegrand gemütlich gemacht haben zum zusehen, Bauern, Jäger, Fischer, Camper vor ihren Wohnwagen und Zelten! Wir sind offensichtlich in einem Ferienparadies hier. Die Kulisse ist auch wirklich schön und eindrücklich: Berghänge auf beiden Seiten, blauer Himmel, der Fluss, grüne Felder und Wiesen, friedlich weidende Kühe, hier eine kleine Herde Pferde und ein Muli. Auch EVG Reiter sind jetzt bereits unterwegs.

In der Zwischenzeit ist es doch einiges wärmer geworden, und Johnny wird warm. Auf der ersten Runde hat er ausser unter dem Sattel so gut wie überhaupt nicht geschwitzt. Jetzt fängt er auch an zu trinken an den zahlreichen Brunnen, die wir unterwegs passieren, immer wieder ein paar Schluck. Ich hab in der Pause die Ärmel meiner Reitjacke demontiert, für die dritte Runde wird sie dann ganz wegkommen!

Auch nach 60 km kann ich Johnny direkt den Tierärzten vorführen. Auf dem Groom Platz herrscht jetzt emsiges Treiben, da ruhen Pferde, hantieren Helfer mit Pet-Flaschen und grossen Schwämmen, halten den Pferden Futter hin, werden Pferd ruhig geführt; auch die Tierärzte haben zu tun. Doris Frey kommentiert für uneingeweihte Zuschauer das Geschehen, erklärt, was abläuft und um was es geht. Johnny hat in der ersten Pause fleissig gefressen, jetzt will er nicht viel. Und schon ist es wieder soweit, ab auf die letzte Runde!

Es ist in der Zwischenzeit sehr warm und etwas drückend geworden, wenn man auch immer wieder etwas Wind verspüren kann, später sogar ein paar kräftige Böen. Wir nehmen es auf der letzten Runde etwas gemütlicher, wir haben ja Zeit; ich will meinen Sechsjährigen nicht überfordern. Nach einer Gesamtreitzeit von knapp 7 hr 46’ kommen wir zum letzten Mal über die Ziellinie. Dann noch die abschliessende Vet Kontrolle und wir wissen, dass Johnny somit seine 4. Quali geschafft hat!

Nach mir kommen noch ein paar wenige Reiter über die Ziellinie. Auch wir DRF-Reiter werden gebeten, auf die Preisverteilung um 17 Uhr zu warten. Für EVG und CES werden die jeweils ersten Drei zu Pferd aufgeboten. Pünktlich um 17 Uhr geht es dann los; nur die Lautsprecheranlange macht nicht so richtig mit, sie zischt und dröhnt immer wieder – Stromprobleme!

Stefan Waldisberg und Karima al Mandara gewinnen mit Abstand den CES (14.01 km/h). Die Sieger im EVG heissen Heidi Jenny und Amara (genau 15 km/h und Schlusspuls 38!). Alle Klassierten erhalten neben der Plakette auch geschmackvolle und äusserst grosszügige Geschenke, auch die DRF Reiter erhalten alle noch eine Flasche Wein zur Plakette. Auf die Frage, ob es wieder einen Blitzinger Distanritt gäbe, antwortet Charles Previdoli, „Ja, wenn wir genügend Anmeldungen haben“. Na, hoffen wir es, der Anlass war die Reise wert, beste Organisation, freundliche und hilfsbereite Leute, und natürlich eine wunderschöne Umgebung!

Bericht: Esty H. Saenger