Distanzreiter Nordwest

Rittbericht: Holziken

Endurance Holziken – mein Niagara-Ritt

Am 30. September und 1. Oktober fanden die Holziker Distanzreittage statt, darunter die Schweizermeisterschaft Elite und Junioren im CEN 121 km.

Die Resultate und detaillierten Daten sind wie gewohnt auf der Swiss Endurance Website längst online, können aber keine Einblicke in die Atmosphäre gewähren.

Der Start für die Schweizermeisterschaft war am Samstag um sechs Uhr in der Früh. Das hiess, dass ich um drei Uhr aufstand. Die Eingangskontrolle beim Veterinär hatten wir bereits am Freitag hinter uns gebracht. So weit so gut, nur: Ende September ist es um 6 Uhr früh in Mittel- und Westeuropa dunkel – sehr dunkel, war es doch zudem auch regnerisch.So reihten wir uns alle mit Stirnlampen an den Helmen ausgerüstet für den geführten Start auf: „geführt“ heisst, dass uns die ersten paar hundert Meter um die Kurve bei der Hauptstrasse ein Auto anführte. Erst ausgangs Dorf ging es dann los, allerdings wurde zuerst das ruhige Tempo beibehalten. In Zweierreihe ging es vorerst mal durch den Wald. Hier hiess es aufgepasst, dass man die schwarzen Pfeile auf gelbem Täfelchen nicht verpasste. Niemand schien sich vorläufig absetzen zu wollen – es war ja noch so weit.

Nach einer Weile wechselte das Schwarz der Nacht zum verschleierten Grau einer bewölkten Dämmerung mit sanftem Regen. Noch immer war das Feld nicht allzuweit auseinandergezogen. Einige Aufregung kam auf, als wir auf eine Schafweide trafen, wo die kleine Herde links des Wegs eingezäunt war. Ein Schimmel, der vorher schon einmal relativ unkontrolliert an den anderen vorbei abseits durchs hohe Gras gedonnert war, nahm einen Satz, und befand sich mit seinem Reiter auf einmal innerhab der Umzäunung. Einen Moment später jagte er wieder an uns vorbei, diesmal allerdings ohne Reiterin. Es gelang Peter Baumgartner, die Zügel des Schimmels vom Sattel seines eigenen Pferdes aus zu greifen und das Tier zu stoppen. Noch mal gut gegangen.

Nach einer Weile teilte sich das Feld mit über 20 Pferden dann in kleinere Gruppen auf; ich war allein mit einer Kollegin unterwegs. Wir kamen nach den ersten 40 km zusammen an, und waren auch auf der zweiten Teilstrecke über 30 km zusammen unterwegs, bis wieder ins Ziel. Hier allerdings, nach 70 km, kam für mich das Aus: es hatte bei Lynn nach 40 km auf einem Bein geheissen „unregelmässig“. Nun hiess es „Unregelmässigkeit deutlich stärker“ – wir waren eliminiert …

In der Zwischenzeit hatte sich das Wetter beruhigt und zeigte sich von einer besseren Seite, man sah blauen Himmel, hübsche weisse Wölkchen, vielversprechend … Allerdings hielt das nicht lange. Ich wollte am Sonntag Johnny im DRF reiten. Laut Ausschreibung konnte man am Sonntag DRF 21-61 km reiten. Ich hatte mich also auf 61 km eingestellt, wieder laut Ausschreibung über 40 km + 21 km zu absolvieren.

Als ich in der Nacht aufwachte (noch vor dem 3 Uhr 55 Wecker) goss es in absoluten Strömen, dass es nur so rauschte. Ich erwartete jeden Moment, Noah die Tiere an Bord seiner Arche rufen zu hören. Als ich in den Stall fuhr, goss es immer noch. Der am Freitag wunderschön schamponierte und gebürstete Johnny war tropfnass und schlammverschmiert – eigentlich wie erwartet, ich kenn ihn doch. Er hatte sich eine Fango-Vollpackung verpasst auf der Weide. Ich spritzte ihm schon mal die Beine sauber, dann fuhren wir wieder nach Holziken.

Es fühlte sich an, als würden wir unter einem Wasserfall durchfahren – the Niagara Experience. Bei der Reithalle angekommen wollte ich zielstrebig wieder auf die Wiese fahren, aber ein Helfer erklärte, da schon am Vortag etliche Fahrer damit Probleme gehabt hätten, ihre Gefährte wieder aus dem nassen Boden zu bekommen, würden wir heute auf dem Parkplatz parkieren – da hatte ich natürlich nichts dagegen!

Ich versuchte, Johnny unter dem weit ausladenden Vordach der Halle so gut wie möglich sauber zu bekommen, bevor ich ihn den Tierärzten zeigte. Dann war es soweit: satteln; alles montieren und umhängen (Hufschuhe, Herzfrequenzmonitor, Garmin Forerunner, etc).

Wir waren drei Paare, die sich für den erstmöglichen Start um 7 Uhr 30 präsentierten. Da erfuhren wir vom Starter-Team, dass unterdessen die 40-km Strecke geschlossen sei, und wir dafür zwei Mal am Stück – ohne Zischenhalt – die 21-km absolvieren sollten. Diese Änderung war NICHT angeschlagen gewesen an der Infowand. Naja …

Jetzt war ich also erst mal auf derselben Strecke unterwegs wie gestern. Es regnete rauschend weiter, und falls das eventuell noch nicht genügend Wasser sein sollte, wischten einem die Äste noch ab und zu, oder eigentlich recht oft, übers Gesicht.

Die Strecke ist schon nicht ganz ohne, mit dem langen, stetig steigenden Stück, hier bloss nicht zu schnell auf der ersten Runde! Johnny muss ständig gebremst werden, das soll ja schliesslich für uns mehr ein Trainingsritt werden, er hat ja eben in Blitzingen 90 km gemacht und soll auch noch in Claro frisch sein.

Beim ersten Groom-Point, an dem sich die 21-km Schlaufe auch von der 40-km Route trennt, um später wieder in sie hineinzumünden, treffe ich auf Suse-Käthi’s Mann, ihren Groom, der mir mitteilt, es habe eine weitere Änderung gegeben – nachdem mehrere Reiter bereits unterwegs waren (Darf man das?!?!?) – Anscheinend musste man nun nach den ersten 21 km doch durchs Ziel, zum Vet und in eine 40-Minuten Pause. Nach 21 km??? Ich fand das doch etwas sehr bizarr und fragte beim Ziel vorsichtshalber, ob es sich tatsächlich so verhalte. Ja! Gut, war ich von einem „Fremden“ informiert worden, sonst hätte ich das nichts gewusst. Auch diese Änderung war nicht, und wurde nie zur Info angeschlagen, obwohl sie das hätte sein müssen.

So standen wir dann halt 40 Minuten im strömenden Regen, und ich war froh, als ich weiterreiten konnte. Im Regen reiten ist immer noch besser, als mit dem Pferd im Rregen zu stehen. Johnny hatte allerdings unbeirrt ein zweites Frühstück aus Sugarbeet, etwas Kraftfutter und Heu verdrückt, dazu ein paar Karotten und Äpfel und Gras.

Ich versuchte in der Zwischenzeit, meine leicht pappig gewordene Checkkarte in einen trockeneren Unterschlupf zu manövrieren. Trotz Gore-Tex waren die Taschen meiner Jacke innen feucht. Ich selber fühlte mich noch recht trocken an, dank der Regenhosen, Gummistiefel und Regenjacke.

Dann ging es wieder los. Unterdessen waren auch EVG Reiter unterwegs. Nun konnte man für den DRF offensichtlich doch auch noch die 30-km Strecke reiten. Es schien noch särker zu regnen als zuvor, das Rauschen des Wassers auf den Blättern war ein ewiger Begleiter. Jedenfalls war für Johnny (und halt auch mich) ständige Bewässerung gewährleistet. Modell „Niagara“ wechselte ab und zu auf „Sanftes Berieseln“, aber nie für lange.

Gegen Ende meiner zweiten Runde hörte es tatsächlich zu regnen auf! Unglaublich, aber bloss noch nicht hoffen! Ich behielt die Regenkleidung auch für die dritte und letzte Runde an, aber es blieb fast ganz trocken; ausser dem Wasser von den Bäumen und Ästen – damit man es sich nicht abgewöhnte. Jetzt bliess dafür zwischendurch ein Wind. Ich hatte Johnny sicherheitshalber eine Nierendecke angezogen, aber er schwitzte drunter dann allzu sehr, und da es nicht mehr regnete, klappte ich die nach vorne und setzte mich halt drauf, was eigentlich recht angenehm war.

Im Ziel schien mir Johnny immer noch genau so frisch und munter wie zu Beginn unseres Rittes, jedenfalls ausgeschnauft und trocken. Wie auch bei den ersten beiden Kontrolle konnte ich ihn gleich nach dem Absatteln und kurzen leichten Halsabschwammen den Tierärzten zur Schlusskontrolle präsentieren (Die Tierärzte waren zum Glück in der Reithalle drin installiert). Schlusspuls 47 weniger als 6 Minuten nach Zielüberquerung – da kann man zufrieden sein. Fast sechs Stunden waren wir unterwegs gewesen, plus die Wartezeiten und alles drum und dran – ein langer Tag! Zwei lange Tage; ein weiterer Endurance Anlass zu Ende – mit nur noch einem weiteren auf dem Programm in der Schweiz diese Saison: Claro am 15. Oktober. Die Chancen, dass das Wetter dort besser ist, sind allemal gut. Wir werden sehen.

Nebenbei gehört; unsportlich und schändlich
Gesunder Ehrgeiz ist gut, aber nicht auf Kosten des Sportes und der Kameradschaft. Die Pferdewoche verteilt Hufeisen. Ein einziges davon bedeutet „unten durch“ und pfui. Ich würde auch nur ein Hufeisen verteilen für die Reiterin im CEN, welche unterwegs zu einer anderen gesagt hat: „Ich weiss nicht, was du hier eigentlich verloren hast, du kannst ja eh nicht gewinnen.“ Die betreffende Reiterin sollte sich schämen!

Die angesprochene Reiterin war übrigens gut klassiert, ihr Pferd war nach dem rennen immer noch in einem sehr guten Zustand. Dies nur als Denkanstoss …

Bericht: Esty H. Saenger